Also eigentlich mag ich wirklich keine Spinnen. Naja, es ist mehr so ein Phobie-Ding: die Spinne an sich kann nichts dafür. Ich habe auch nichts gegen sie, aber sobald sie zu groß, zu haarig, zu muskulös oder zu schnell ist, komme ich nicht mehr zurecht. Ich kann viel und ich habe mich damit abgefunden, dass ich nicht alles können muss. Zum Beispiel der Kumpel von Spinnen zu sein. Jetzt gab es aber eine unerwartete Ausnahme. Eines Tages in der Dusche entdeckte ich zu meiner Verwirrung eine hochbeinige, aber akzeptabel kleine Spinne, die exakt oben in der Ecke am Übergang der Kacheln zur gestrichenen Wand saß. Irgendwie wirkte sie eher neugierig als bedrohlich. Und auch nicht willens, ihren Platz zu verlassen. Mit statischen Spinnen kann ich viel besser umgehen als mit hektisch herumrennenden. Aber die Idee, dass sie mir beim Duschen zuschaut fand ich trotzdem befremdlich. Ich pustete also in ihre hochgelegene Ecke und siehe da, dort schien ein wenig Platz in der Ecke hinter den Fliesen zu sein, in den sie sich hineinduckte. Also fast ganz. Noch einmal pusten und sie war unsichtbar. Ich ahnte schon, dass wir zurechtkommen würden. Und das taten wir. Jedes Mal, wenn ich in die Dusche stieg, pustete ich kurz und die Spinne duckte sich und lugte nur noch über den Fliesenrand – bis zum zweiten Pusten, dann war sie unsichtbar. Wenn sie sich erdreistete während des Duschvorgangs herauszuschauen, reichte ein neuerliches Pusten. Und mit der Zeit hatte sie gelernt, sich ganz ohne Pusten zu verstecken, wenn nur die Dusche anging. Wir hatten eine sehr friedliche Koexistenz. Keine Ahnung übrigens wovon sie sich ernährt hat. Inzwischen war ich so weit konditioniert, dass ich, sogar ohne Duschen zu wollen, einen Check-Blick in die Ecke werfen musste, ob die Spinne noch auf ihrem Posten war, so sehr hatte ich mich an sie gewöhnt, die Hüterin der Dusche. Und glauben Sie mir, ich fühlte mich regelrecht alleingelassen, als sie eines Tages einfach nicht mehr da war. Keine verkrumpelte Spinne, gar nichts, einfach weg.